Dirk Nowitzki ist am Gipfel seiner Karriere angekommen. Mit einem 4:2 über die Miami Heat und einer exzellenten Leistung in den gesamten Playoffs krönte der Würzburger eine außergewöhnliche Karriere. Eine Karriere, die so nur wenige prophezeiten und die viele Höhen und Tiefen hatte.

Die Anfänge:

Wir schreiben das Jahr 1997. Dirk Nowitzki ist 19, hat ein Jahr zuvor sein Abitur bestanden und leistet nun seinen Wehrdienst ab. Soweit nicht ungewöhnlich. Doch nebenbei spielt er Basketball, und das sehr gut.  Der Schlaks, der bis zu seinem 13. Lebensjahr noch Tennis spielte, führt sein Team, den Zweitligaklub DJK s.Oliver Würzburg, nun mit durschnittlich über 30 Punkten pro Spiel quasi im Alleingang in die Bundesliga. Zusätzlich stellt er beim Nike Hoop Summit, einem alljährlichen Spiel zwischen dem Nachwuchs der USA und dem Rest der Welt mit 33 Punkten und 14 Rebounds  einen neuen Rekord auf (inzwischen gebrochen von Enes Kanter, 34 Punkte) und führt die Weltauswahl sogar zum Sieg.
In der Folge klingelt das Telefon im Hause Nowitzki ununterbrochen. Aus der ganzen Welt kommen die Angebote én masse, Dirk Bauermann versucht, ihn nach Leverkusen zu locken, verschiedene Colleges werben um seine Gunst und NBA-Teams wollen sich die Rechte am „Langen“ sichern.
Sogar in der Nationalmannschaft gibt es ein kleines Ringen um ihn, da ihn sowohl die Trainer der U20-, der U22- und der A-Nationalmannschaft gerne in ihren jeweiligen Teams sähen.
Doch den bodenständigen Dirk N. aus W. lässt der ganze Rummel um seine Person scheinbar kalt. Er ist ein Familienmensch. Der Gedanke, jetzt schon weit weg von seinen Freunden und seiner Familie zu spielen, dreht ihm den Magen um.
Zurückhaltend erklärt er bei einem Interview im DSF, er wolle auf jeden Fall noch ein Jahr in Würzburg bleiben. Ein Weg direkt in die NBA, also ohne vorherigem Aufenthalt an einem College, komme für ihn nicht in Frage, dafür sei er noch zu schlecht und müsse noch zu viel lernen. Auf die Frage des Moderators, wann man ihn denn in der NBA sehen könne, antwortet er sogar: „Vielleicht nie, wer weiß.“ Es wirkt so, als sei der ganze Trubel um seine Person noch nicht bei ihm angekommen.
Vielleicht auch dank Holger Geschwindner, seinem Coach, Mentor und Manager, der ihn während seiner folgenden Karriere ständig begleitet und ihn vor dem Abheben bewahrt.

NBA – Ein Traum wird wahr

Es geht dann doch alles schneller als erwartet. Dirk steigt mit Würzburg in die erste Bundesliga auf und meldet sich entgegen seiner Statements ein Jahr zuvor zur NBA Draft 1998 an. Er wird an neunter Stelle von den Milwaukee Bucks gezogen und direkt nach Dallas transferiert.
In der folgenden Saison wird eines jedoch schnell klar: Dirk muss noch viel lernen.
Denn der mit großen Erwartungen als „German Wunderkind“ nach Dallas gekommene Rookie kann diese anfangs nicht erfüllen.
Die Probleme liegen auf der Hand: Das Spiel ist schneller, athletischer und körperlicher, sodass es Dirk in manchen Situationen schlicht und einfach die Spucke verschlägt und er immer wieder neidlos erkennen muss, dass er noch nicht auf dem höchsten Niveau herausstechen kann.
Wo er in seiner ersten Saison offensiv relativ solide agiert (8.2 PPG bei 20.4 Min.), werden ihm in der Defense umso öfter seine Grenzen aufgezeigt. Viel zu oft klafft dort, wo er steht, in der Verteidigung ein großes Loch, so groß, dass er den Spitznamen „Irk“ verpasst bekommt. Er spielt keine „D“ (für Defense), also bekommt er auch kein „D“ im Vornamen. Die Mavericks schließen die Saison mit einer Bilanz von 14-36 (Lockout, daher nur 50 Spiele) ab.

Doch Nowitzki zeigt sich unbeeindruckt.
Mit Coach Holger Geschwindner trainiert er in der Offseason wie wild, selbst nach dem Teamtraining ist es keine Seltenheit, dass beide stundenlang alleine in der Halle stehen und an den Schwächen arbeiten.
Und die Arbeit zahlt sich aus. In der Folgesaison 1999/2000 schraubt Dirk seine Stats nach oben (17,2 PPG) und sichert sich einen Platz in der Starting Five. Dallas schließt mit 40-42 ab, verpasst jedoch wieder die Playoffs. Nichtsdestotrotz spüren Spieler und Fans: Es tut sich was in „Big D“.

Aufstieg zum Superstar

Den entgültigen Sprung zum Superstar schafft Nowitzki dann in der Saison 2000/01. Er erreicht mit 21.8 PPG und 9.2 RPG fast ein Double-Double im Schnitt und steht in allen 82 Spielen als Starter auf dem Parkett. Die Folge: Eine Bilanz von 53-29 und die erste Playoffteilnahme der Mavericks seit 11 Jahren. Dort ist allerdings gegen die San Antonio Spurs in der zweiten Runde Schluss.
In den folgenden Jahren bleibt dieses Bild weitgehend gleich. Nowitzki agiert konstant auf hohem Niveau und Dallas erreicht jedes Jahr mühelos die Playoffs, der ganz große Wurf, sprich die NBA-Finals, will ihnen aber noch nicht gelingen.
In dieser Zeit erfährt Nowitzki auch erste persönliche Karrierehöhepunkte. Die Wichtigsten sind eine Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft 2002 und eine Silbermedaille bei der Europameisterschaft 2005 im Dress der Nationalmannschaft, wobei er bei beiden Turnieren zum MVP gewählt wird. Außerdem wird er 2002 das erste mal ins Allstargame berufen, wo er bis heute jedes Jahr aufspielt. Weiter wird er zudem seit 2001 entweder ins All-NBA First, Second oder Third Team gewählt.

Freude und Schmerz
2005/2006 gelingt den Mavericks dann der Einzug in die NBA Finals und es sieht anfangs gut aus. 2-0 führt Dallas gegen die Miami Heat um Superstar Dwyane Wade, als sich das Blatt wendet. Dwayne Wade dreht auf, Nowitzki spielt unter seinen Möglichkeiten (0,39 FG% & 0,25 3P%) und auch dank vieler fragwürdiger Schiedsrichterpfiffe schafft es Miami den bisherigen Verlauf auf den Kopf zu stellen und wird am Ende mit 4-2 Meister.
Das ist der Zeitpunkt, an dem die ersten negativen Stimmen um Dirk Nowitzki laut werden. Er sei zu weich, scheue den Körperkontakt und sei nicht für sein Team da, wenn es darauf ankommt ist die Meinung vieler Journalisten.
Auf die Kritik antwortet Dirk in der Folgesaison mit Taten: Mit einer Trefferquote von grandiosen 50,2% aus dem Feld und 24,6 Punkten im Schnitt führt er Dallas zu einer Bilanz von 67-15, der Besten der Liga. Die Konsequenz aus diesen Leistungen ist Nowitzkis vorläufiger Karrierehöhepunkt: Er wird als erster Europäer zum besten Spieler der NBA ernannt und bekommt den Award des Most Valuable Player 2006/07 verliehen.
Nach diesem Erfolg beginnt dann aber schnell die härteste Zeit in Dirks Karriere. Denn mit einem 2-4 gegen die Aussenseiter der Golden State Warriors scheidet das beste Team der Saison um den besten Spieler sang- und klanglos in der ersten Runde aus. Auch Nowitzki enttäuscht mit nur 19,7 PPG und 0,383 FG%.
Das anschließende Medienecho ist verheerend, reißt die Wunden aus der Finalsniederlage 2006 weiter auf als je zuvor und wird im Laufe der Jahre immer lauter.
Denn in den kommenden Spielzeiten wiederholt sich die Misere der Mavericks Jahr für Jahr wie ein immer wiederkehrender Fluch. Eine Mannschaft mit viel Klasse und guten Regular Season-Bilanzen scheint sich regelmäßig in der Postseason von schlechter gesetzten Teams den Schneid abkaufen zu lassen.

2008 ist mit einem 1-4 in der ersten Runde gegen New Orleans Schluss.
2009 wird Dallas von Denver mit 1-4 den Urlaub geschickt. Immerhin erst in Runde zwei.
2010 ist wieder in Runde eins gegen die alternden Stars von San Antonio Feierabend (2-4).
Dirk spielt in allen Serien gut, doch den Ruf, sein Team nicht zum Erfolg führen zu können, wird er nicht los.

Späte Vollendung

Auch diese Spielzeit scheint in ihrem Verlauf wieder eine typische Dallas-Saison zu werden. Zuerst verletzt sich Caron Butler schwer und muss für die restliche Spielzeit passen. Außerdem befinden sich viele Spieler im Kader, die den Zenit ihrer Karriere schon überschritten haben. Die Regular Season ist aber mit 57-25 eine der besseren der letzten Jahre und die Mavericks müssen in Runde eins gegen die Trail Blazers aus Portland ran. Nach 2-0-Führung gleicht Portland die Serie zum 2-2 aus und die Dallasfans befürchten wieder einmal das Schlimmste.
Doch dann kommt alles anders: Dallas gewinnt die Serie am Ende souverän mit 4-2 und stößt in der zweiten Runde auf Titelverteidiger Los Angeles. Es ist das erste mal seit Langem, dass Dirk und seine Mitspieler nicht Aussenseiter sind und vielleicht ist das auch einer der Gründe für die außergewöhnliche Leistung die nun folgt, denn Dallas gewinnt erst die zweite Runde gegen eine völlig demoralisierte Lakersmannschaft mit 4-0 und schickt anschließend das junge Oklahoma City Thunder-Team um NBA-Topscorer Kevin Durant und Aufbau Russell Westbrook mit 4-1 in den Conference Finals nach Hause. Immer im Mittelpunkt steht ein überragender Dirk Nowitzki, der seine Mannschaft lenkt, selbst mit hoher Trefferquote scort und mit unbändigem Einsatz kämpft.
Im Finale heißt der Gegner ausgerechnet Miami Heat um die neuen Big Three Dwayne Wade, LeBron James und Chris Bosh und die Geschichte lässt sich aus Nowitzkis Sicht nicht schöner schreiben.
Dallas liegt 2-1 zurück, Dirk hat sich im Finger eine Sehne gerissen und ist krank. Rund 38°C Fieber plagen ihn in Spiel 4 gepaart mit Husten und Schnupfen. Dallas gleicht die Serie trotzdem aus, durch eine grandiose Teamleistung und einem Dirk Nowitzki, der trotz allen Hindernissen im letzten Viertel aufdreht.
In Spiel 5 und 6 haben die Mavericks den Vorteil endlich auf ihrer Seite. Mit hohen Trefferquoten, starkem Einsatz und unwiderstehlichem Teamplay gewinnen sie schließlich beide Spiel und damit die NBA Finals 2011.
Für Dirk der emotionalste Moment seiner Karriere. Schon vor der Schlusssirene kann er die Tränen kaum zurückhalten und verschwindet erst einmal ein paar Minuten in der Kabine. Er, der so oft für seine Spielweise gescholten wurde ist endlich der Beste. Er, der 13 Jahre so hart an sich gearbeitet hat wie kaum ein anderer, ist endlich auf der Spitze angekommen. Er, der nicht so selbstdarstellerisch und laut ist wie andere Superstars, allen voran seine Gegner in den Finals, er hat es ihnen gezeigt. Auch Holger Geschwindner, der Nowitzkis halbes Leben begleitet hat und wie ein Vater für ihn ist, wird mit Tränen in den Augen von den Kameras eingefangen.
Als Dirk wieder aus der Kabine kommt und die Larry O’Brian-Trophy sowie die Auszeichnung des Finals-MVP entgegennimmt, wirkt es, als könne er das alles noch nicht begreifen.

Er wird auch ein paar Tage brauchen, um alles realisieren zu können.
Denn mit dieser Meisterschaft hat er nicht nur seine Karriere gekrönt und sich in der Geschichte der NBA einen festen Platz gesichert.
Er ist auch in den Kreis der besten Spieler aller Zeiten aufgestiegen.

  1. Marcel sagt:

    Ein sehr guter Artikel! Bitte mehr davon Benny… 🙂

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